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Abschiedstext von Lia

Mein Leben lang hatte ich mit Problemen meines Selbstbildes zu kämpfen. Ich dachte nicht dass jemand mich je mögen könnte und war zu schüchtern um interessante Dinge im Leben zu tun.

Tori hat dies geändert. Wir haben uns auf dem 37c3 kennengelernt & schnell eine Beziehung begonnen; sie hat mir gezeigt dass ich liebenswürdig bin, hat mich wieder Dinge fühlen lassen. Das allein hätte meine Depression vermutlich schon besiegt. Sie hat mir aber auch gezeigt dass man nicht so furchtsam durch sein Leben gehen muss, hat meinen Horizont zu Wissen über “bunte” Psychologie, Politik, lustige mechanische Dinge und lustige Substanzen massiv erweitert. Durch sie habe ich viele nette & interessante Wesen kennengelernt, und sie hat mein Interesse an einem meiner jetzt größten Hobbies geweckt.

Diese Verbesserungen in meinem Leben bleiben auch nach ihrem Tod. Aufgrund all dieser Dinge habe ich sie aber natürlich unfassbar geliebt, was diesen Verlust sehr einschneidend macht - ich habe ungefähr eine Woche nur mit Heulen, Schlafen und andere-leute-für-mich-kochen-lassen verbracht, wobei ich auch in den Nächten keine Ruhe fand, sondern meist von ihr träumte. Seitdem weiss ich nicht wirklich, wie es mir geht; ich glaube ich hatte einfach keine Tränen mehr übrig.

Ich habe nie die Hoffnung aufgegeben dass es Tori einmal besser gehen könnte. Ich glaube auch weiterhin dass dies bis zum Ende möglich gewesen wäre, aber ich den richtigen Weg dahin niemand von uns wissen konnte. Ihr zu helfen war nicht einfach, da ihre psychischen Probleme sie daran hinderten, Hilfe anzunehmen; sie konnte bspw. nie glauben, dass sie auf mich solche positiven Einflüsse hatte. Sie hat sich auch von ihrer Umgebung zuletzt immer mehr isoliert, sowohl aus der Sorge ein schlechter Einfluss zu sein, als auch um weniger Wesen mit ihrem Tod zu schaden. Dass ich in ihren letzten Tagen noch bei ihr sein konnte habe ich nur Psi zu verdanken; ohne es hätte ich ihren Tod überraschend von Kiel aus mitbekommen müssen. Vielleicht war diese Isolation zu einem gewissen Grad gerechtfertigt, da sie schon seit einiger Zeit meistens sterben wollte, und es somit absehbar war dass es passieren würde; oft genug probiert hat sie es ja.

Es ist schwer diesen Verlust zu fassen, da ich ihren Schmerz nicht nachvollziehen konnte. Obwohl ich nun auch eine would-be-Lebenspartnerin verloren habe, weiss ich nicht, warum mich dies in den Suizid treiben sollte. Drei Tage vor ihrem Tod habe ich sie gebeten, ihre psychischen Schmerzen mit etwas für mich Greifbarem zu vergleichen - ihre Antwort war, dass sie sich ungefähr so wie ich fühlte, aber ohne dass gerade jemand in ihrer Umgebung stirbt, einfach ohne Grund, nahezu dauerhaft. In dem Fall ist es vielleicht gut dass viele von uns dies nicht nachfühlen können.

Wie schon von vielen anderen gesagt: Helft euch gegenseitig durch diese Zeit, und falls Wut entstehen sollte richtet diese nicht gegen Tori oder ihre Umgebung, sondern ein System welches solchen Wesen nicht gut hilft.

I will forever love you, gongous ❤️
- Lia

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